Samstag, 28. September 2013

Patientenforum Nierentransplantation

Am 21. September 2013 um 9 Uhr startete Im Neuenheimer Feld 308 in Heidelberg das Patientenforum Nierentransplantation des Nierenzentrums Heidelberg. Dieser Post soll meine Eindrücke der Veranstaltung subjektiv wiedergeben und geht auf meine persönlichen Erfahrungen zu dem Thema ein. Nach jedem Vortrag konnten von den Zuhörern Fragen gestellt werden, die umfangreich beantwortet wurden.

Der Post orientiert sich an der Reihenfolge des Programms der Veranstaltung.

09:00 - 09:25 Uhr: Grippeimpfung nach Nierentransplantation - was haben wir aus der letzten Grippepandemie gelernt? (Dr. Jörg Beimler, Nierenzentrum Heidelberg)

Zu Beginn ging es um das leidige Thema "Impfungen". Erst vor kurzem gab es wieder Masernerkrankungen, die vor allem für Transplantierte weitreichende Folgen haben können. Sie dürfen sich nicht gegen Masern impfen lassen, da dafür Lebendimpfstoffe verwendet werden, welche zur Abstoßung des Organs führen können. Ebenfalls mit Lebendimpfstoffen wird bei folgenden Impfungen geimpft:

- Gelbfieber
- Mumps
- Windpocken
- Röteln
- Typhus

Die angenehme Nasensprayimpfung bei Grippe enthält ebenfalls Lebendimpfstoffe, weshalb sie für Transplantierte ein Tabu ist.

Vor allem bei Krankheiten mit Lebendimpfstoffen ist es wichtig, dass jeder, der kann, geimpft ist. Dies schützt die Menschen, die sich nicht impfen lassen dürfen in Form der Riegelimpfung. Die Riegelimpfung bezeichnet den Zustand, wenn das engere Umfeld geimpft ist und der Transplantierte aus oben genannten Gründen nicht.

Bei der normalen Grippeimpfung werden Totimpfstoffe verwendet, weshalb der Tenor dieser Veranstaltung war: Lassen Sie sich gegen Grippe impfen!

Die Impfwirkung ist bei Transplantierten durchschnittlich niedriger anzusiedeln, als bei "Gesunden", da sie Immunsuppressiva einnehmen. Diese schwächen das Immunsystem von Haus aus. Je höher allerdings die Gabe von Immunsuppressiva muss man im Einzelfall abwägen, ob es einen Sinn macht oder nicht.

09:25 - 09:50 Uhr: "Ich möchte gern mein Cortison absetzen" - empfehlenswert? (Prof. Dr. Claudia Sommerer, Nierenzentrum Heidelberg)

Cortison - ein Nebenwirkungslieferant sondergleichen. Da die Nebennierenrinde Transplantierter nicht mehr umfangreich dazu in der Lage ist Cortisol zu produzieren, müssen sie meist Cortison einnehmen. Es folgt eine Nebenwirkungsübersicht:

- Muskelschwäche
- Muskelschwund
- Osteoporose
- höherer Augeninnendruck
- aseptische Knochennekrosen
- Dehnungsstreifen
- Gewichtszunahme
- verzögerte Wundheilung
- Akne
- Blutergüsse (an Stellen, an denen man sich nicht gestoßen hat)
- grauer Star
- Hemmung der Magenschleimproduktion
- lang anhaltender Schluckauf
- Diabetes mellitus
- Wassereinlagerungen
- Vollmondgesicht
- höhere Kaliumausscheidung
- Wachstumsstörungen
- steigender Haarwuchs
- Impotenz
- Störungen der Sexualhormonsekretion
- Ausbleiben der Regelblutung
- Blutbildveränderungen
- Immunschwäche
- höheres Infektionsrisiko
- neuropsychiatrische Symptome
- Schwindel
- Kopfschmerzen
- Schlaflosigkeit
- Euphorie
- Depressionen
- Psychosen
- latente Epilepsie

Dies ist eine verdammt lange Liste. Da ist nur selbstverständlich, dass Transplantierte so schnell wie möglich so wenig wie möglich, am Besten gar kein Cortison nehmen wollen.

Bei Patienten, die schon im Vorfeld an oben genannten Nebenwirkungen wie Osteoporose oder Diabetes leiden, versucht man deshalb in vielen Fällen das Cortison schon nach einer Woche ganz abzusetzen oder sich lediglich auf die anderen Immunsuppressiva zu beschränken.

Für Transplantierte, die dies hier lesen und nun hoffen ich teile ihnen mit, dass sie gedankenverloren ihr Cortison absetzen können, tut es mir leid sagen zu müssen, dass ich sie enttäuschen muss. Bei mir persönlich hat die Kindernephrologie dieses Projekt nach ca. 5 Jahren mal für 2 Jahre durchgezogen. Als dann jedoch die Werte etwas stiegen, wurde gleich wieder auf Cortison zurückgegriffen und seitdem nehme ich es auch wieder. Allgemeiner Konsens ist das Cortison langsam bis auf 5 oder 4 mg ausschleichen zu lassen.

Studien zeigen, dass in den Fällen, wo man ohne Cortison behandelt hat, es durchschnittlich eher zu Abstoßungen kommen kann und man dann wieder in der Situation ist, auf eine Niere warten zu müssen. Deshalb liegt es am Patienten selbst, abzuwägen, was im wichtiger ist. Wenigere lästige Nebenwirkungen oder eine längere Funktionszeit der Niere.

09:50 - 10:15 Uhr: "Ich schenke dir meine Niere" - Lebendspende aus psychosomatischer Sicht (Dr. Maren Leuschner, Innere Medizin II - Psychosomatik am Universitätsklinikum Heidelberg)

Die einzig wirkungsvolle Nierenersatztherapie neben der Dialyse ist eine Nierentransplantation. Aufgrund der mangelnden Spendenbereitschaft in Deutschland, wird es immer wichtiger bei Organen, wo es möglich ist, auf Lebendspenden zurückzugreifen. Dabei haben Lebendspenden direkter Verwandtschaft die besten Voraussetzungen für eine lange Funktionszeit, da das Gewebe in den meisten Fällen optimal übereinstimmt.

In diesem Vortrag ging es vor allem um die psychosomatische Sicht. Es gibt zur Lebendspende geeignete Nieren, die aber aus psychosomatischen Gründen durchaus nicht zugelassen werden. Dazu ist zu sagen, dass man im Vorfeld einer Lebendspende auch zur Ethikkommission muss. Dort wird letztlich der Transplantation zugestimmt oder sie wird abgelehnt.

Lebendspender fühlen sich in manchen Fällen regelrecht dazu verpflichtet aus Verantwortung. Bspw. wenn eine Mutter als Spenderin für ihr eigenes Kind in Frage kommt. Vielen fällt es leicht und sie halten diesen Schritt für selbstverständlich, aber sofern eine Mutter Zweifel an der Sache hat, muss es auch akzeptiert werden, wenn sie nein sagt. Auch Empfänger eines Organs können sich schuldbewusst dem Spender, z. B. dem Lebensgefährten, gegenüber fühlen und zwanghaft an der Beziehung festhalten wollen, auch wenn sie kaputt ist aus dem Grund: er hat mir eine Niere geschenkt. Ich bin ihm gegenüber verpflichtet. Sofern es Anzeichen solcher Gefühle im Vorfeld gibt, lehnt die Ethikkommission ab. Sofern Empfänger und Spender über 18 Jahre alt sind, müssen beide zur Kommission. Sofern eine Mutter an ihr Kind spendet, muss lediglich sie vor die Kommission treten.

In dem Teil, wo man nach dem Vortrag Fragen stellen kann, kam eine ältere Frau zu Wort. Sie spendete eine Niere an ihren Mann, der 9 Monate später verstarb. Sie machte keine Angaben zu den Gründen des Todes. Sie machte darauf aufmerksam, dass eine Spende auch für den Spender gesundheitliche Folgen haben kann, wie Müdigkeit, Schlappheit, sofern es mit der Narbenverheilung Probleme gibt, auch Schmerzen, usw. Dazu muss ich sagen, dass ich bisher von solchen Fällen nur gehört habe, aber keinen kenne. Ich kenne mehrere Lebendspender und ich finde es wichtig, dass diese auch regelmäßig, bspw. jährlich, zum Nephrologen zur Nachuntersuchung gehen. Viele denken aber: ich habe gespendet, nun ist das für mich gegessen. Nephrologen wünschen sich, dass sie öfter in Kontakt zu den Lebendspendern kommen, um auch Studien über deren Befinden erarbeiten zu können.

Fazit dieses Vortrages war, dass diese Möglichkeit lange Wartezeiten in denen durch die Dialyse auch andere Organe immer mehr angegriffen werden, durch eine Lebendspende verkürzt werden können und die Empfänger schneller wieder in ein geregeltes Leben finden können.

10:15 - 11:15 Uhr: Kaffeepause

...yummyyy, Laugenstangen mit Butter und leckere Croissants...

11:15 - 11:40 Uhr: Bilanz aus dem Organspendeskandal 2012/2013 (Prof. Dr. Martin Zeier, Nierenzentrum Heidelberg)

Die Bilanz ist ernüchternd. Lediglich wegen schwarzer Schafe in Form von Ärzten werden nun, wegen der niedrigeren Organspendebereitschaft, noch mehr Patienten auf der Warteliste sterben, da sie nicht mehr rechtzeitig ein Organ erhalten werden. Heidelberg war von den Vorwürfen nicht betroffen, weshalb es hier nicht viel zu sagen gab. Man habe nun das System manipulationssicher gemacht und hoffe auf die Rückgewinnung des Vertrauens der Bürger.

Meine Meinung dazu ist durchaus, dass schuldige Ärzte dafür vor Gericht müssen, aber auch dass die Patienten nun darunter leiden. Die können am Wenigsten dafür. Anzumerken ist ebenfalls, dass die Organe nicht an irgendwen verschachert wurden, sondern dennoch an einen Patienten gerieten der früher oder später auch dringend eine Leber benötigte. Ich erwähne hier die Leber, da es bei den Skandalen hauptsächlich um Lebertransplantierte ging, denen man Dialysen bescheinigte und erhöhte Kreatininwerte zuschrieb um zu zeigen, dass nun auch die Nieren langsam versagen, weshalb eine Lebertransplantation dringender wird und sie sich somit im so genannten MELD-Score steigerten.

Mein Aufruf: Befasst euch mit der Organspende und fasst dann eure eigene Entscheidung. Organspendeausweise bekommt ihr momentan von euren Krankenkassen zugeschickt und sie liegen ebenfalls bei Ärzten, Apotheken und in Krankenhäusern aus. Einfach fragen, wenn ihr sie nicht findet!

Der Aufruf von Prof. Dr. Zeier lautete, dass wir Patienten, Angehörige und Interessenten mehr auf die Problematik Organspende aufmerksam machen müssen. Auch Organversagen kann schnell zum Tode führen.

11:40 - 12:05 Uhr: Sportliche Aktivität nach Nierentransplantation - was ist erlaubt, was ist sinnvoll? (Dr. Kai Schommer, Innere Medizin VII - Sportmedizin am Universitätsklinikum Heidelberg)

Seitdem ich transplantiert bin, sind so genannte Kontaktsportarten für mich verboten, da dabei schnell was in die Niere gehen kann. Dies führte damals glücklicherweise zu einer Befreiung vom Judokurs in der 9. Klasse. Für mich ist Sport Mord. Ich mag es einfach nicht. Dass Ivan Klasnic ist sowohl unverantwortlich als auch bewundernd. Ich hoffe, dass es nicht zu zu schädlichen Verletzungen seiner Niere durch die Ausübung des Sports kommen wird.

Aussage dieses Vortrages war, dass man im Optimalfall entweder drei mal die Woche Ausdauertraining oder zwei mal die Woche Krafttraining machen sollte. Für den Zeitraum direkt nach der Transplantation, wo man noch sehr geschwächt ist, reichen auch 30 Minuten spazieren am Tag. Ich hoffe dies gilt auch noch zwölf Jahre nach Transplantation, weil das mache ich durchaus. Oft auch länger als 30 Minuten.

12:05 - 12:30 Uhr: Nierentransplantation ohne Immunsuppression - ein Traum wird wahr? (PD Dr. Christian Morath, Nierenzentrum Heidelberg)

Tja, bei diesem Vortrag kann ich mich recht kurz halten. Immunsuppressiva schwächen vor allem das Immunsystem, damit es nicht zu Abstoßungen des Transplantats kommt. Weitere Nebenwirkungen sind auch hier häufig starker Haarwuchs und Gewichtszunahme, weshalb eine mögliche Absetzung vom Patienten sehr gewünscht wird. Das Fazit ist jedoch quasi dasselbe, wie beim Cortison: lieber lassen, da man zu viel riskiert. Ich hoffe die Forschung bleibt am Ball und wird noch Wege finden. Ab Oktober dieses Jahres werden nun bei Lebendspenden im Vorfeld Tests gemacht, ob sich die Zellen von Empfänger und Spender auch ohne Immunsuppressiva vertragen. Sollten sich dort keine Antikörper bilden, wird man nach Transplantation versuchen ohne Immunsuppressiva auszukommen. Ich bin gespannt!

Zum Abschluss ist zu sagen, dass ich erst das zweite Mal bei so einem Patientenforum dabei war. Mein erstes Mal war in Recklinghausen und eine Woche später kam ich in die Universitätsklinik Münster wegen erhöhter Nieren- und Leberwerte. Dieses Mal ging alles gut. Meine Werte sind stabil schlecht und ich musste nicht ins Nierenzentrum Heidelberg.

Ich hoffe dieser Beitrag hat euch etwas gebracht. Solltet ihr von ähnlichen Veranstaltungen erfahren, informiert mich bitte. Ich interessiere mich sehr dafür und versuche dort hin zu fahren.

Wie beginnt man einen Blog?

Schon seit etwa einem halben Jahr geht die Idee einen Blog zu schreiben in meinem Kopf herum. Doch wie beginnt man so etwas? Wie beginnt man einen Blog über seine Lebensader? Ich habe bewusst den Begriff Lebensader der Lebenslinie vorgezogen. Erstens habe ich eine so genannte "Lebensader" in meinem linken Unterarm und zweitens haben Adern meines Wissens nach auch quasi Abzweigungen. Ein Leben verläuft nie gerade wie eine Linie. Oft steht man auch an Kreuzungen und muss sich für einen Weg entscheiden ohne genau zu wissen, was auf einen zukommt.

Erstere genannte Lebensader ist mein Dialyseshunt. Hierbei wird bevorzugt die Arteria radialis mit der Vena cephalica am Unterarm verbunden. Da ich Rechtshänderin bin, hat man bei mir den linken Unterarm verwendet, damit ich in der Lage war, während der Dialyse zu schreiben und essen usw.
Die Dialyse benötigte ich aufgrund meiner chronischen Niereninsuffizient. Nach etwas über einem Jahr wurde ich transplantiert.

Die chronische Niereninsuffizienz ist Teil meiner Erbkrankheit, dem Senior-Loken-Syndrom. Zudem habe ich eine fortgeschrittene Retinitis Pigmentosa, die mit einer starken Gesichtsfeldeinschränkung, Blendempfindlichkeit und Nachtblindheit einhergeht.

Es soll in diesem Blog vor allem darum gehen, wie man mit solch einem Syndrom und einer Einschränkung leben und vor allem Spaß haben kann. Bei mir ist unklar von wem ich die Krankheit geerbt habe. Sie überspringt meist eine Generation und sofern das Nierenversagen nicht eintritt, kann es sein, dass auch die Augenerkrankung unbemerkt bleibt, da man sich mit ihr wegen der meist noch lange gut vorhandenen Sehschärfe gut arrangieren kann. Deshalb war es für mich bei Diagnose erstmal ein Schlag. Wie mit der neuen Situation umgehen? Ich war gerade mal zehn Jahre alt, als man die Augenerkrankung diagnostizierte, zwei Jahre später folgte das Nierenversagen.

Themen, die mich interessieren sind vor allem die Organspende, Inklusion, Barrierefreiheit als auch die momentanen Kürzungen in der Dialysepraxis. Des Weiteren interessiere ich mich sehr für die Asylpolitik und zukünftige Europapolitik Deutschlands und das nicht nur, da mein Vater aus Bosnien, einem ehemaligen Kriegsgebiet, stammt.

Ich denke dieser Blog kann auch mir helfen, die Situationen in die ich komme, zu reflektieren und bei manchen Sachen hilft ja auch einfach mal darüber reden. In diesem Fall schreiben.

Ich stehe euch für Feedback und Rückfragen stets zur Verfügung.