Freitag, 21. Oktober 2016

Der lang ersehnte Anruf!

Mit Aktionen wie der "Blutwäsche am Bahnhof" wird auf das Thema "Warten auf ein Organ" aufmerksam gemacht. Bei Wartezeiten um die neun Jahre für eine neue Niere, stelle ich mein Smartphone nach gerade mal 2,5 Jahre Warten noch häufig auf lautlos. Mittwoch, den 19.10.2016 um 20:10 Uhr war es soweit. Meine Mutter ruft meinen Freund an und sagt: "Münster hat angerufen. Sie haben eine Niere für Tati. Sag' ihr, sie soll sofort Münster zurückrufen!" Wir waren gerade bei unserem monatlichen Piratenstammtisch und ich verstand nicht gleich, warum mein Freund unsere Sachen zusammenpackt und schon die Rechnung bezahlt. Ich tat wie mir geheißen (total überrumpelt und verwirrt) und rief Münster an.

Der Arzt am anderen Ende der Leitung sagte nur: "Wir haben eine Niere für Sie!" Ich: "Und wie läuft das jetzt ab?" Er: "Wann können Sie hier sein?" Ich, noch vollkommen durcheinander war sehr optimistisch und sagte: "Ca. 'ne Stunde." Er: "Ok, bis gleich!"

Dann ging es los. Erst noch nach Hause das Ladekabel holen und bequeme Anziehsachen (meinen typischen Dialysedress: Jogginghose + T-Shirt). Zum Stammtisch trug ich nämlich eine Strumpfhose, ein Sommerkleid, einen Blazer und Absatzschuhe (kommt später noch etwas zu). Dann fuhren wir noch tanken, da wir einen Tag zuvor erst aus unserem Hamburgurlaub kamen und der Tank fast leer war. Auf der A43 dann so um 20:45 Uhr: Stau! Ein Lkw ist mit einem platten Reifen wohl liegen geblieben. Die Fahrt war eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Ich habe geheult, aus Freude und Angst, ob alles gutgehen mag. Mein Freund und ich kamen letztlich um 22 Uhr an.

In Münster angekommen begrüßte mich die nette Stimme vom Telefonat. Dann ging es auch schon los. Ich kam sofort in einen Behandlungsraum und bekam einen Zugang in die rechte Ellenbeuge. Blut wurde auch massig abgezapft und ein EKG wurde geschrieben. Bei diesem EKG fiel mir auf, dass ich blöd gekleidet bin. Strumpfhose an- und ausziehen mit Zugang in der rechten Elle war sehr schwierig, weshalb mein Freund mir half. Danach hieß es in die Radiologie wo ich das Gefühl hatte, dass der Arzt etwas genervt hatte, weil man ihm wohl Stress gemacht hatte, es solle alles schnell gehen. Damit fertig, ging es wieder in einen Behandlungsraum. Nun kam der Internist und befragte mich etwas. Er wirkte auch etwas genervt, war wohl in Bereitschaft und wurde geholt, saß die ganze Zeit in Jacke da, als ob er schnell wieder nach Hause wollte. Danach kam der nette Nephrologe mit dem ich auch schon telefoniert hatte. Ich war die ganze Zeit etwas skeptisch. Ich warte schließlich erst seit 2,5 Jahren. Er war so fröhlich und begeistert und als er mir dann noch erzählt hatte, dass es eine "Full-House-Niere" ist, war dann auch ich davon überzeugt. Auch er befragte mich und wieder ging es darum meine Strumpfhose erst aus- und dann wieder anzuziehen. Wieder unter Zuhilfenahme meines Freundes. Danke! Ich fragte den Arzt, wann ich denn diesen dummen Zugang loswürfe. Er: " So in 2 Wochen!" Ich reagierte nur mit: "Gut, dann geh' ich jetzt wieder nach Hause! ;)" Das tat ich natürlich nicht.

Nun zeigte mir eine freundliche Schwester mein Zimmer auf Station. Es ist eine Art Intensiv, wo ich auch die ersten Tage nach der Transplantation verbringen sollte. Es hieß es käme nur noch ein Anästhesist und die OP war für 5 Uhr angesetzt. Mittlerweile war es Mitternacht und ich stiefelte mit meinen Absatzschuhen auf Station rum. Aus Rücksichtnahme bin ich dann auf Zehenspitzen gelaufen, wobei es sowieso sehr laut und unruhig auf der Station war und das Geklapper dann auch nicht mehr so schlimm gewesen wäre.

Als um 1 Uhr der Anästhesist noch nicht da war, fuhr mein Freund nach Hause. Er und ich würden etwas Schlaf brauchen. Sowohl bei mir als auch bei ihm zu Hause war aber nicht wirklich an Schlaf zu denken. Wir waren viel zu aufgeregt. Gegen 4:30 Uhr (der Anästhesist war immer noch nicht da) kamen mein Freund und meine Mutter. Nun warteten alle nur noch auf den Anruf aus dem OP. Ich war vorbereitet, inklusive Einlauf. Auch mein Shuntarm wurde schon markiert, damit keiner im OP auf dumme Gedanken kommt. Nun konnte es losgehen. Die Niere wurde für 4 Uhr erwartet. Um 6:30 Uhr kam ein Arzt und sagte, er präpariere nun die Niere und dann können wir in ca. einer Stunde loslegen. Um 8:30 Uhr hieß es, es dauere noch eine Stunde.

Eine Stunde später, ich war total übermüdet, erfuhr ich auch den Grund: die Niere kann nicht transplantiert werden! Die Ärzte haben beim Präparieren einen großen dunkelblauen Fleck auf der Niere entdeckt. Das zeigte mir der sichtlich enttäuschte Chirurg auf einem Bild auf seinem Smartphone. Sie verbrachten die letzten Stunden damit, Teile dieses Flecks rauszuschneiden und an die Pathologie zur Untersuchung zu schicken. Leider konnte die Pathologie nicht ausschließen, ob es sich bei dem Fleck lediglich um eine eingeflutete Zyste oder ein Karzinom handelt. Deshalb dann die Absage :(

Nach dieser Nachricht war ich hellwach. Ich verlangte sofort, dass mir der Zugang rausgenommen wird und wir verabschiedeten uns mit "bis bald!". Zuhause angekommen, gab es ein gemeinsames Frühstück. Danach war ich Frustshoppen. Es gab zwei neue Jeans und eine neue Jogginghose für die Dialyse. Die brauche ich ja jetzt dann doch noch.

Heute morgen an der Dialyse wurde ich durchgeknuddelt bis zum geht nicht mehr und auch mein behandelnder Arzt war ehrlich enttäuscht.

Das war die Generalprobe. Da muss etwas schief laufen, damit die Premiere bombastisch wird. Ich weiß, dass ich das nächste mal, bevor wir losfahren nochmal duschen gehe, mich umziehe, am Besten Turnschuhe anziehe und keine Strumpfhose. Während ich dusche, packt mein nun geübter Freund die Tasche zusammen. Er hat das alles super gemacht, auch wenn er sichtlich nervös war. Er war an dem Tag mein Held! Meine Mama war auch super, aber sie ist als damalige Lebendspenderin ja auch schon etwas vorbelastet. Mit mir als Tochter sowieso ;)

Ich möchte mich bei allen, die sei es über WhatsApp, Facebook, Telefon und sonst was mitgefiebert haben, bedanken! Danke, dass ihr da seid! Ihr seid die Besten! Jetzt sind wir alle vorbereitet, wie es das nächste mal laufen wird.

Wenn es das nächste Mal wieder nichts wird, begnügen wir uns dann mit der Redewendung: "Alle guten Dinge sind drei!", aber eigentlich will ich das nicht nochmal durchmachen.

Nun habe ich mein Smartphone nur noch selten auf lautlos. Ich warte auf den nächsten Anruf!

(auf dem Bild seht ihr eine Postkarte, ein selbst gemachtes Bild und eine Ente und einen Schwan aus Aquaperlen von meiner Schwester, Schwager und der süßesten Nichte der Welt <3)

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